Text 1:

On Tectonics of History 
Wyspa Institute of Art, Gdansk
Opening March 17th, 7pm
Exhibition is running till April 29th 

'On Tectonics of History' is changing-when-touring exhibition, initiated and curated by Andrea Domesle and Martin Krenn.
The Exhibition in Wyspa Institute of Art, Gdansk is co-curated by Aneta Szylak.

Because of the other point of view on NS history, we will initiate the public to think about NS propaganda in their complex dimension: their traces till today in aesthetical concepts, f. e. in publicity, films, TV productions and events of some parties. The visitors should think about control mechanisms and points of view of the original documents.

Because of the site-specific aspects to local history, we would like to provoke to think about one’s own history.

Because of presenting the influences of history to our recent time, we would like to provoke a critical understanding of socio-political relations. 

How and where can the influence of history be made tangible? On which intentions and politics of the image are the different ways of dealing with the past based? The exhibition “Zur Tektonik der Geschichte” (On Tectonics of History), curated by Andrea Domesle and Martin Krenn, is trying to expose the historical traces of the nineteen-thirties and nineteen-forties that can be still seen in the present and to reflect on how we deal with Nazi times. The exhibits show to which extent photography and film “oscillating between construction and representation“ are able to contribute to finding the truth in history and to formulate images of history that are not yet consistent with our society.

The exhibition focuses on contemporary works of art in the fields of photography, film and video. According to Aleida and Jan Assmann, documentary photography and film act as image storage for our cultural memory. Especially since the nineteen-thirties, the technological achievements have permitted to make use of these two media and allowed for the steady increase of their distribution. The image of history in the minds of those who were born too late is based on those source images that convey illusory authenticity. Pictures of historical places, people and events have been reproduced unscrutinized in schoolbooks, television documentaries, historical museums or magazines. Not infrequently even propaganda and perpetrator photos of the Nazis have been drawn on as “image evidence” without ever putting up for discussion their history of origins.

Contrary to this, the approaches of artists, for the most part, aim at trying to learn to understand the original documents as tools enabling us to construct history. In doing so they work, on the one hand, with historical facticity and, on the other, with photography, video or film and the images of history communicated by these media respectively. This approach can either be based on historical documents or on original locations that you visit and where the view communicated by the media comes under scrutiny. Control mechanisms and points of view of the original documents are made visible. Confronting them with a different meaning within the frame of the same medium, the artists extend and adjust the cultural memory. This exhibition attempts to point out by means of which different methods and stylistic approaches this can be done.

Text 2:

Zur Tektonik der Geschichte

Die Ausstellung „Zur Tektonik der Geschichte“ versucht die geschichtlichen Spuren der 1930er und 1940er Jahre in der Gegenwart aufzuzeigen und damit auch den Umgang mit der NS-Zeit in Europa heute zu reflektieren. Wie und wo lässt sich der geschichtliche Einfluss greifen? Welche gesellschafts-politischen Auswirkungen hat der Umgang mit Geschichte? Welche Intentionen und Bildpolitiken stehen hinter den unterschiedlichen Auseinandersetzungen mit jener Zeit?

Ein Schwerpunkt wird auf künstlerische Recherchen gelegt, welche sich an einem Denken orientieren, das an Walter Benjamins Vorstellung von Großstadträumen als „Topographie der Erinnerung“ anknüpft, die er als ein Geflecht von Einschreibungen und Wiedereinschreibungen von Beziehungen in seinem „Passagen“-Werk dargestellt hat. Es wird etwas nicht Sichtbares angenommen, das dennoch die heutige Zeit mit ihren Strukturen und Gesetzmäßigkeiten prägt und das es ähnlich wie in der Archäologie aufzudecken gilt. Zunächst einmal muss dafür die Oberfläche dekonstruiert werden. 

Die Ausstellung konzentriert sich auf künstlerische Arbeiten mit Fotografie, Film und Video. Fotografie und Film fungieren gemäß Aleida und Jan Assmann als Bildspeicher für unser kulturelles Gedächtnis. Die technischen Errungenschaften machten vor allem ab den 1930er Jahren den verbreiteten Einsatz dieser beiden Medien möglich und ließen ihre Distribution stetig anwachsen. Das Geschichtsbild der Nachgeborenen basiert auf jenen Quellenbildern, die scheinbare Authentizität vermitteln. Abbildungen historischer Orte, Personen und Ereignisse sind meist unhinterfragt in Schulbüchern, Doku-Fernsehserien, Geschichtsmuseen und Magazinen widergegeben. Um Geschichte zu illustrieren, werden nicht selten sogar Propaganda- und Täterfotos der Nazis als „Bildbeweise“ herangezogen, ohne ihre Entstehungsgeschichte zu problematisieren.

Im Gegensatz dazu zielen künstlerische Auseinandersetzungen meist darauf ab, Originaldokumente als Konstruktionshilfen von Geschichte verstehen zu lernen. Dabei wird sowohl mit der Faktizität von Geschichte als auch mit den Medien Foto, Video, Film und den damit verbundenen medial vermittelten Geschichtsbildern gearbeitet. Diese Auseinandersetzung kann anhand der historischen Dokumente stattfinden, aber auch anhand der Originalschauplätze, die aufgesucht werden und wo der medial vermittelte Blick einer Überprüfung unterzogen wird. Lenkungsmechanismen und BetrachterInnen-Standpunkte der Originaldokumente werden sichtbar gemacht. Indem KünstlerInnen diesen im selben Medium eine andere Bedeutung entgegenhalten, erweitern und korrigieren sie das kulturelle Gedächtnis. Die Ausstellung versucht aufzuzeigen, mit welchen unterschiedlichen Methoden, Stilrichtungen und Verwendungsweisen der Techniken dies geschehen kann.

Die Exponate werden zeigen, in wieweit es den Medien Fotografie bzw. Film heute möglich ist, zwischen Konstruktion und Abbild zu einer Wirklichkeitsfindung von Geschichte beizutragen und andere, noch nicht gesellschaftskonforme Geschichtsbilder zu formulieren. 

Die Ausstellung lässt sich mit folgenden Kategorien skizzieren:

Von der Kunstinstallation am Originalschauplatz zum Foto als künstlerisches Dokument 

Bei Hans Haacke und Peter Weibel ist das Foto Dokument und Relikt einer Kunstaktion, die sich vor Ort mit der Vergangenheit auseinandergesetzt hat. 

Weibel hatte 1972 einen Eingriff im öffentlichen Raum in Graz unternommen und ein Geschäft mit Holzbrettern zugenagelt. Diese Installation spielte so auf den Umgang mit jüdischen Geschäften kurz vor der „Arisierung“ an. 

Haacke hat 1988 in Graz die Mariensäule wieder so mit einem Obelisken verkleidet, wie sie bei einer nationalsozialistischen Feierlichkeit umhüllt war. Er hat somit eine historische Propagandainszenierung – mit kleinen Veränderungen -, nachinszeniert. Die Basis bildeten bei ihm und sicher auch bei Weibel historische Aufnahmen. Beide scheinen mit ihren Aktionen auf das kulturelle Gedächtnis der Grazer Bewohner gesetzt zu haben.

Körperlicher Nachvollzug

Anders ging Haacke beim Denkmalentwurf-Wettbewerb für den „Feliciterhof“ bei Graz vor. Beim Militärschießübungsplatz hat er 1996 eine begehbare Erdgrube vorgesehen, an deren einem Ende ein auf einer Metallplatte geätztes Foto von der Exhuminierung von Leichen an diesem Ort zu sehen ist. 

Auch Gustav Metzger initiiert eine körperliche Wahrnehmung der historischen Fotografie. In seiner Serie „Historic Photographs“ verwendet er bekannte Vorlagen, wie sie in Geschichtsbüchern zu finden sind. Indem er diese installativ in Ausstellungsräumen präsentiert, bringt er den/die BetrachterIn dazu, diese körperlich wahrzunehmen. In „To Crawl Into – Anschluss, Vienna“ (1996/98) muss man förmlich unter eine Decke ins Bild kriechen. Meist sieht man nur Ausschnitte, so dass die Erinnerung aktiviert wird. 

Von der Inszenierung zur Überprüfung vor Ort

Lisl Ponger verwendet die Medien sowohl im traditionellen Sinn des Dokumentarischen, aber auch zur Inszenierung, zu denen die ausgewählten Fotos gehören. Ihr Arrangement mit Teppichen von 2005 stellt das Sprichwort des „Unter-den-Teppich-Kehrens“ visuell dar. Das Sprichwort wird durch das Farbfoto im Alltäglichen vorstellbar. Gleichzeitig ist und wirkt das Bild bewusst konstruiert. 

Martin Krenn verbindet das Foto als Dokument mit anderen Text- bzw. Wortdokumenten, die er von weiteren Personen bekommt, zur sozialen Recherche. In seiner neuesten Serie „Misplaced Histories – eine Recherche“ (2005) sind z.T. bekannte Gebäude wie das Riesenrad in Wien oder das Münchner Stadtmuseum oder der Berliner Zoo zu sehen. Es sind Einrichtungen, die „arisiert“ wurden. Zusätzlich zum Foto thematisiert Krenn Fragen zur Restitution. Antworten, offene Fragen dazu und diverse Briefwechsel werden ausgewertet und Auszüge daraus mit den Fotos präsentiert. 

Tim Sharps Foto des „Abbruch Aspangbahnhof 2003“ (2005) scheint auf den ersten Blick ein Dokument eines ziemlich unbedeutsamen Motivs zu sein. Der Künstler hält die 2003 in Wien angetroffene Situation der Abrissstelle mit ihrer Absperrung fest. Eine Aufwertung des Motivs und damit auch Hinterfragung findet durch das Licht des Leuchtkastens statt. Der Blick durch die Absperrung in die aufgerissene Erde evoziert Assoziationen und lässt nach Bedeutungszusammenhängen suchen. Vom ehemaligen Aspangbahnhof wurden in den Jahren 1939–1942 zehntausende Menschen in die NS-Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. 

Zdena Kolecková fotografiert in ihrer Heimatstad Usti nad Labem (CZ) alte Schriftzeichen: deutsche Worte an Hausfassaden der ehemals von Sudetendeutschen vor dem 2. Weltkrieg bewohnten Stadt, für die heutigen Einwohner unverständlich. Viele der Worte wurden durch Anstriche und Verputz übertüncht und sind erst nach Jahren wieder zum Vorschein gekommen. In ihrer „Shelter“-Serie   transformiert die Künstlerin Worte wie „Luftschutz“ in skizzenhafte Malerei . Die  Art und Weise ihrer Darstellung spielt auf jene Abreibmethoden von Archäologen an, die dazu dienten, auf Papier unbekannte Zeichen festzuhalten. Diese „Abreibebilder“ Koleckovás, die auf Fotografin beruhen, erinnern aber auch an die Anfänge der Fotografie, welche das fotografische Bild als „Abdruck der Natur“ bezeichnete. 

Konfrontation von Originalschauplatz mit der Rezeption von historischen Dokumenten 

Susanne Kriemann setzt sich in ihrem Film „Triumph of Will – Revisted“ mit dem Olympia-Stadion in Berlin einerseits und mit der nationalsozialistischen Propaganda andererseits auseinander. Im Film ist abwechselnd eine junge Frau zu sehen, die durch das Gelände streift, und Aufnahmen aus Geschichtsmuseen, die BesucherInnen zeigen, wie sie historische Filmdokumente zum Olympia-Stadion anschauen. Durch dieses kommentarlose Aufeinandertreffen von Heute, Rezeption und Filmdokument wird die Frage nach dem Umgang mit dem historischen Ort und dessen Dokumentation virulent. 

Anna Kowalska stellt in ihrer Fotoserie „Postkarten aus Warschau“ Aufnahmen vom berühmten Filmset „The Pianist“ von Roman Polanski, die das Warschauer Getto „originalgetreu“ in einem anderen Stadtteil Warschaus, in Praga, nachbauten, Aufnahmen vom „richtigen“ Warschauer Getto gegenüber. Die jüdische Kultur ist jedoch in den Aufnahmen von den Filmkulissen präsenter als in der Realität. „Die Erinnerungen an die jüdische Geschichte sind nur spärlich im Stadtbild verteilt. Der Umgang mit ihnen zeugt von gespaltenem Verhältnis der Stadt und ihrer BewohnerInnen zu diesem Kapitel der Geschichte. Viel lieber erinnern sie sich an die Helden des als an den ebenso tragisch verlaufenen Aufstands im Warschauer Ghetto 1943.“ (Anna Kowalska)

Aneignung und Unterwanderung von historischen Fotos 

Joachim Seinfeld bezieht sich bei seinem Werk „Wenn die Deutschen Spaß haben“ (2005) auf zwei historische Aufnahmen: eines, das jüdische Bewohner in Wien 1938 zeigt, wie sie gezwungen werden, mit Zahnbürsten die Straße zu putzen, und eines vom Einmarsch der deutschen Truppen in Asch, Tschechien, aus dem selben Jahr. Zahlreiche Sudetendeutsche, die dort ehemals wohnten, bejubeln den Einmarsch; nur eine alte Frau im Vordergrund weint. In der Montage agiert der Künstler selbst sowohl als Täter wie als Opfer wie als jene alte weinende Frau. Seinfelds Montage wird in der Ausstellung mit 3,40 Meter Höhe an eine Glasscheibe appliziert, so dass der Raum und die Personen dahinter mit ins Bildfeld rücken. 

Infragestellung des Wirklichkeitsgehalts von historischen Dokumenten 

Klub Zwei problematisiert die Frage nach dem Wirklichkeitsgehalt der originalen Fotodokumente mit dem Medium Video auf formaler und inhaltlicher Ebene und zwar mittels eines radikalen Entzugs jener Bilder, von denen im Off die Rede ist. Während die Leiterin eines Fotoarchivs Fragen zu Gedächtnis, Bild und Geschichte aufwirft, sehen wir Texttafeln auf Schwarz und Weiß. 

Weitere Stationen

Center for Contemporary Central European Art (CCCEart) / Faculty of Art and Design UJEP Usti nad Labem 
Emil Filla Gallery Usti nad Labem, Velka Hradebni 15, 400 01 Usti nad Labem, Czech Republic
WYSPA Art Institute, Gdansk, Poland, co-curated by Aneta Szylak

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