Alle genießen das Recht, nicht gleich zu sein
Ein Projekt von Klub Zwei in Zusammenarbeit mit den Schüler/innen des Borg 3
Während der nationalsozialistischen Herrschaft von 1933 bis 1945 wurden humanistische Grundsätze so radikal missachtet und gebrochen, wie es zuvor niemand für möglich gehalten hätte. Die sukzessive Entrechtung und Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen im Dritten Reich gilt daher als Zivilisationsbruch ohnegleichen, dessen Wiederholung oder Nachahmung für alle Zukunft verhindert werden muss.
„Alle haben das Recht, Rechte zu haben“, fordert Hannah Arendt in ihrem Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, das sie direkt nach dem Zweiten Weltkrieg zu schreiben beginnt und das 1955 erstmals auf deutsch erscheint. Als Antwort auf die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg entsteht auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO. Sie wird am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris beschlossen.
Die Idee der Menschenrechte geht davon aus, dass jeder Mensch – unabhängig von Herkunft, Klasse, Geschlecht oder anderen Kategorien – gleich ist und daher die gleichen Rechte hat. Doch zeigt schon das historische Beispiel des Nationalsozialismus, wie leicht humanistische Grundrechte außer Kraft gesetzt werden können, ohne dass viele Menschen Einspruch erheben oder Widerstand leisten würden. Und in der Gegenwart stellt sich angesichts des inhumanen und menschenrechtswidrigen Umgangs mit Flüchtlingen und Asylsuchenden die Frage, ob die Nachwirkungen der NS-Herrschaft unsere Gesellschaft bis heute prägen.
Im Projekt mit den Schüler/innen des Borg 3 wollen wir an jenes humanistische Erbe anknüpfen, das durch den Nationalsozialismus so radikal unterbrochen wurde. Wir werden das Engagement der Schüler/innen, die sich für das Bleiberecht ihrer Mitschülerin eingesetzt haben, mit historischen Beispielen ergänzen und es nachhaltig stärken. Wir werden mit ihnen über Zivilcourage sprechen, und über Solidarität zwischen Menschen, die in Österreich unterschiedliche politische Rechte haben.
„Alle genießen das Recht, nicht gleich zu sein“ verweist auf die Privilegien, die manche Menschen in unserer Gesellschaft genießen: Das Privileg, sicher vor Abschiebung zu sein, das Privileg, arbeiten zu können, oder das Privileg, keine aufdringlichen Blicke auf der eigenen Haut spüren zu müssen. Der Artikel 1 aus der „Allgemeinen Erklärung der Ent-Sicherung“ verweist aber auch auf Möglichkeiten der Solidarisierung trotz Unterschiedlichkeit: Wenn wir unsere Privilegien kennen, können wir sie kritisch beurteilen, sie verantwortungsvoll einsetzen. Wir können sie teilen, oder vielleicht sogar an andere Menschen abgeben.
Sich für das Bleiberecht einer Mitschülerin einzusetzen bedeutet, sich gegen eine allgemein übliche Abschiebung von Verantwortung zu stellen. Die persönliche Verantwortung dafür, was in unserer Gesellschaft vorgeht und wie Menschen hier behandelt werden, kann weder an andere Menschen, noch an Behörden delegiert werden. Jede/r Einzelne ist für sein (Nicht)Handeln verantwortlich und wird, wie die Geschichte zeigt, auch dafür zur Verantwortung gezogen werden.
Wien im Dezember 2010
Klub Zwei – Simone Bader und Jo Schmeiser